Sterbebegleitung, was ist das, wie gehen wir damit um….
Diese Fragen haben wir schon oft gehört.
Um es ein bisschen zu veranschaulichen, möchte ich Euch von einer beeindruckenden Frau, meiner letzten Begleitung, erzählen.
Letzte Woche hat sie ihre große Reise angetreten.
Ich durfte sie vier Monate auf ihrem letzten Weg begleiten.
Sie lebte bereits eine längere Zeit im Pflegeheim, da sie durch ihre Krankheit den Alltag zu Hause nicht mehr bewältigen konnte. Sie genoss den Aufenthalt, denn viele Bekannte waren dort und sie konnte sich gut austauschen. Als sie nur noch im Bett liegen konnte, bekam sie oft Besuch von den Bewohnern, was sie sehr genoss und immer freudig erzählte. Trotz ihres Aufenthaltes wusste sie über jedes Geschehen Bescheid, manche Ereignisse wusste sie schon vor mir.
Ich kannte sie bereits aus beruflichen Gründen und so kam ihrerseits der Wunsch auf, von mir begleitet zu werden.
Es war mir eine Ehre.
Wir haben sehr viele und wunderschöne Gespräche geführt, Erzählungen aus Kriegszeiten, ein Austausch über Aktuelles und über die Familie. So manches hat sie mir anvertraut, worüber ich sehr dankbar bin. Ihr großer Wunsch war es, an ihrem Geburtstag ihre Familie noch einmal, um sich zu haben. Eine Woche vorher sah es jedoch nicht so gut aus, doch der Wunsch danach ließ sie aufblühen. An ihrem 94. Geburtstag hatte sie ihren Enkel, die Urenkel, sowie ihre Tochter um sich herum…der Wunsch hat sich erfüllt.
Durch unsere Gespräche erfuhr sie natürlich auch Dinge aus meinem Leben und so war ihr letzter Wunsch, einen Teil meiner Familie kennen zu lernen. Diesen Wunsch zu erfüllen, lag nun in meiner Hand. Meine Familie unterstützt mich bei meiner Hospizarbeit so sehr, dass ein Kennenlernen für sie eine Freude war. Das Strahlen auf ihrem Gesicht werde ich nicht vergessen.
Anfang Januar ging es ihr schlechter und sie bedankte sich regelmäßig bei mir für die wunderschönen Stunden, die wir gemeinsam verbracht haben. Das Palliativteam aus Eschwege war regelmäßig zugegen, um die Medikamente richtig einzustellen. Ganz nebenbei: Dieses Palliativteam leistet eine fantastische Arbeit.
Es gab Tage, da wollte sie nicht, dass ich sehe, wie schlecht es ihr geht und schickte mich fort. Doch am nächsten Tag strahlte sie wieder, als ich da war. Ich habe sie immer auf die gleiche Weise anhand und Arm berührt, so erkannte sie sogar im Schlaf und gerade in der letzten Phase, dass ich bei ihr bin.
Sie sagte mir eine Woche zuvor: „Sternchen, ich werde bald sterben…“, ich sah sie an und sagte ihr leise „Ich bin bei dir.“
Wir sind den Weg soweit es ging, gemeinsam gegangen und ich bin sehr dankbar für ihr Vertrauen und das der Angehörigen. Es war nicht immer leicht, aber diese schöne Zeit bleibt für mich unvergessen.
Die Tränen liefen mir übers Gesicht und dennoch mit einem kleinen Lächeln, denn sie ist nun erlöst und hat keine Schmerzen mehr.
Zur Verabschiedung nehme ich mir immer etwas Zeit allein mit der nun verstorbenen Person und im Hintergrund läuft ein für mich wichtiges Lied. In Gedanken gehe ich die letzten Tage durch und verabschiede mich.
Wieder einmal durfte ich viel Neues lernen und ein wichtiger Teil eines Lebensabschnitts sein. Dafür bin ich sehr dankbar.
Dieses Vertrauen, diese Offenheit und diese Dankbarkeit beeindrucken mich immer wieder.
Wichtig sind für uns als Sterbebegleiter die Gespräche untereinander und mit der Familie, so können wir das Erlebte verarbeiten und uns mit den Ereignissen auseinandersetzen. Wir haben gelernt, uns abzugrenzen, doch manchmal funktioniert es ehrlich gesagt nicht. Ich persönlich liebe genau das, was ich tun kann, dem Menschen so gut es geht zu helfen und die letzten Tage so angenehm wie möglich zu gestalten.
Tanja Schulze