Sterbebegleitung, was ist das, wie gehen wir damit um….

22.03.2023

Ster­be­be­glei­tung, was ist das, wie gehen wir damit um….

Die­se Fra­gen haben wir schon oft gehört.

Um es ein biss­chen zu ver­an­schau­li­chen, möch­te ich Euch von einer beein­dru­cken­den Frau, mei­ner letz­ten Beglei­tung, erzäh­len.

Letz­te Woche hat sie ihre gro­ße Rei­se ange­tre­ten.
Ich durf­te sie vier Mona­te auf ihrem letz­ten Weg beglei­ten.

Sie leb­te bereits eine län­ge­re Zeit im Pfle­ge­heim, da sie durch ihre Krank­heit den All­tag zu Hau­se nicht mehr bewäl­ti­gen konn­te. Sie genoss den Auf­ent­halt, denn vie­le Bekann­te waren dort und sie konn­te sich gut aus­tau­schen. Als sie nur noch im Bett lie­gen konn­te, bekam sie oft Besuch von den Bewoh­nern, was sie sehr genoss und immer freu­dig erzähl­te. Trotz ihres Auf­ent­hal­tes wuss­te sie über jedes Gesche­hen Bescheid, man­che Ereig­nis­se wuss­te sie schon vor mir.
Ich kann­te sie bereits aus beruf­li­chen Grün­den und so kam ihrer­seits der Wunsch auf, von mir beglei­tet zu wer­den.
Es war mir eine Ehre.

Wir haben sehr vie­le und wun­der­schö­ne Gesprä­che geführt, Erzäh­lun­gen aus Kriegs­zei­ten, ein Aus­tausch über Aktu­el­les und über die Fami­lie. So man­ches hat sie mir anver­traut, wor­über ich sehr dank­bar bin. Ihr gro­ßer Wunsch war es, an ihrem Geburts­tag ihre Fami­lie noch ein­mal, um sich zu haben. Eine Woche vor­her sah es jedoch nicht so gut aus, doch der Wunsch danach ließ sie auf­blü­hen. An ihrem 94. Geburts­tag hat­te sie ihren Enkel, die Uren­kel, sowie ihre Toch­ter um sich herum…der Wunsch hat sich erfüllt.

Durch unse­re Gesprä­che erfuhr sie natür­lich auch Din­ge aus mei­nem Leben und so war ihr letz­ter Wunsch, einen Teil mei­ner Fami­lie ken­nen zu ler­nen. Die­sen Wunsch zu erfül­len, lag nun in mei­ner Hand. Mei­ne Fami­lie unter­stützt mich bei mei­ner Hos­piz­ar­beit so sehr, dass ein Ken­nen­ler­nen für sie eine Freu­de war. Das Strah­len auf ihrem Gesicht wer­de ich nicht ver­ges­sen.

Anfang Janu­ar ging es ihr schlech­ter und sie bedank­te sich regel­mä­ßig bei mir für die wun­der­schö­nen Stun­den, die wir gemein­sam ver­bracht haben. Das Pal­lia­tiv­team aus Esch­we­ge war regel­mä­ßig zuge­gen, um die Medi­ka­men­te rich­tig ein­zu­stel­len. Ganz neben­bei: Die­ses Pal­lia­tiv­team leis­tet eine fan­tas­ti­sche Arbeit.
Es gab Tage, da woll­te sie nicht, dass ich sehe, wie schlecht es ihr geht und schick­te mich fort. Doch am nächs­ten Tag strahl­te sie wie­der, als ich da war. Ich habe sie immer auf die glei­che Wei­se anhand und Arm berührt, so erkann­te sie sogar im Schlaf und gera­de in der letz­ten Pha­se, dass ich bei ihr bin.
Sie sag­te mir eine Woche zuvor: „Stern­chen, ich wer­de bald ster­ben…“, ich sah sie an und sag­te ihr lei­se „Ich bin bei dir.“
Wir sind den Weg soweit es ging, gemein­sam gegan­gen und ich bin sehr dank­bar für ihr Ver­trau­en und das der Ange­hö­ri­gen. Es war nicht immer leicht, aber die­se schö­ne Zeit bleibt für mich unver­ges­sen.

Die Trä­nen lie­fen mir übers Gesicht und den­noch mit einem klei­nen Lächeln, denn sie ist nun erlöst und hat kei­ne Schmer­zen mehr.
Zur Ver­ab­schie­dung neh­me ich mir immer etwas Zeit allein mit der nun ver­stor­be­nen Per­son und im Hin­ter­grund läuft ein für mich wich­ti­ges Lied. In Gedan­ken gehe ich die letz­ten Tage durch und ver­ab­schie­de mich.

Wie­der ein­mal durf­te ich viel Neu­es ler­nen und ein wich­ti­ger Teil eines Lebens­ab­schnitts sein. Dafür bin ich sehr dank­bar.
Die­ses Ver­trau­en, die­se Offen­heit und die­se Dank­bar­keit beein­dru­cken mich immer wie­der.

Wich­tig sind für uns als Ster­be­be­glei­ter die Gesprä­che unter­ein­an­der und mit der Fami­lie, so kön­nen wir das Erleb­te ver­ar­bei­ten und uns mit den Ereig­nis­sen aus­ein­an­der­set­zen. Wir haben gelernt, uns abzu­gren­zen, doch manch­mal funk­tio­niert es ehr­lich gesagt nicht. Ich per­sön­lich lie­be genau das, was ich tun kann, dem Men­schen so gut es geht zu hel­fen und die letz­ten Tage so ange­nehm wie mög­lich zu gestal­ten.

Tan­ja Schul­ze