Leben in seiner Endlichkeit begegnen

06.01.2025

Hos­piz­grup­pe beglei­tet mit Wür­de und Acht­sam­keit.

Wit­zen­hau­sen/­Neu-Eichen­berg – In einer Welt, die vom ste­ti­gen Wan­del und rasen­der Geschwin­dig­keit geprägt ist, gibt es Orte, die der Ver­gäng­lich­keit mit Beharr­lich­keit und Mit­ge­fühl begeg­nen. Die Hos­piz­grup­pe Wit­zen­hau­sen/­Neu-Eichen­berg ist ein sol­cher Ort – ein stil­les Refu­gi­um, das seit 25 Jah­ren Ster­ben­den und ihren Ange­hö­ri­gen eine Hand reicht. Zeit, Wür­de und Mensch­lich­keit sind die Grund­pfei­ler die­ser ehren­amt­li­chen Initia­ti­ve, die jüngst mit dem Sozi­al­preis des Wer­ra-Meiß­ner-Krei­ses aus­ge­zeich­net wur­de.

Wir möch­ten, dass Men­schen das Ster­ben als Teil des Lebens begrei­fen – auch jun­ge Men­schen. Hei­di Lott

Seit sei­ner Grün­dung durch Mari­an­ne Magerk­urth und Chris­ti­ne Klu­ge wid­met sich der Dienst der Beglei­tung Schwer­kran­ker und Ster­ben­der sowie deren Ange­hö­ri­gen– sei es zu Hau­se oder in Pfle­ge­ein­rich­tun­gen.

Umgang mit der End­lich­keit

Dabei steht eines stets im Vor­der­grund: die Wür­de des Ein­zel­nen. „Wir tun nichts, was der ster­ben­de Mensch nicht möch­te“, betont Hei­di Lott, haupt­amt­li­che Koor­di­na­to­rin. Das Ziel ist nicht nur, den Ster­ben­den ein wür­de­vol­les Geleit zu bie­ten, son­dern auch ihren Ange­hö­ri­gen bei­zu­ste­hen, sie auf­zu­klä­ren und in ihrer Trau­er zu beglei­ten.

Der Umgang mit dem Ster­ben habe sich im Lauf der Zeit stark gewan­delt. Frü­her, als Groß­fa­mi­li­en die Regel waren, war der Tod ein natür­li­cher Teil des Lebens. „Man leb­te mit den Groß­el­tern unter einem Dach und beglei­te­te sie in ihren letz­ten Tagen – das gehör­te selbst­ver­ständ­lich dazu“, beschreibt Lott. Kin­der wuch­sen mit dem Wis­sen um die End­lich­keit des Lebens auf, weil sie sie unmit­tel­bar erleb­ten.

Heu­te jedoch ist der Tod in vie­len Fami­li­en kein prä­sen­tes The­ma mehr. „Es wird geschwie­gen, ver­drängt, tabui­siert“, sagt Lott. Die moder­ne Gesell­schaft, geprägt von Mobi­li­tät und Klein­fa­mi­li­en­struk­tu­ren, hat den Tod zuneh­mend aus­ge­la­gert – in Kran­ken­häu­ser, Pfle­ge­ein­rich­tun­gen und Hos­pi­ze. Dabei ent­ste­hen nicht sel­ten Unsi­cher­hei­ten und Ängs­te, die den Umgang mit der End­lich­keit erschwe­ren.

Die stil­le Kunst der Beglei­tung

Mit 15 ehren­amt­li­chen Hos­piz­be­glei­tern und einer haupt­amt­li­chen Kraft ist der Dienst klein, doch sei­ne Wir­kung ist tief­grei­fend. Die Ehren­amt­li­chen, sorg­fäl­tig aus­ge­wählt und umfas­send geschult, begeg­nen den Ster­ben­den mit Empa­thie, Acht­sam­keit und Respekt. Ihre Auf­ga­be ist kei­ne pfle­ge­ri­sche, son­dern eine psy­cho­so­zia­le: Sie hören zu, sind prä­sent und lin­dern Ängs­te.

„Es ist eine Kunst, ein­fach da zu sein“, beschreibt Lott die Arbeit. Sie erfor­dert nicht nur emo­tio­na­les Fein­ge­fühl, son­dern auch eine inne­re Hal­tung, die Akzep­tanz und Wert­frei­heit in den Vor­der­grund stellt. Dabei betont Lott die Zugäng­lich­keit der Hos­piz­ar­beit: „Laut § 39a des Sozi­al­ge­setz­buchs steht jedem Men­schen ein ambu­lan­ter Hos­piz­dienst zur Ver­fü­gung – unse­re Arbeit soll kei­ne Hür­de sein, son­dern eine Hil­fe.“ Die­se Klar­stel­lung ist ihr wich­tig, denn oft herrscht Unsi­cher­heit dar­über, wer die Beglei­tung in Anspruch neh­men kann.

Um den Umgang mit Trau­er zu erleich­tern, bie­tet die Hos­piz­grup­pe ein Trau­er­ca­fé an. Jeden letz­ten Sonn­tag im Monat öff­net es sei­ne Türen und bie­tet einen geschütz­ten, ver­trau­ten Raum für Men­schen, die ihre Trau­er tei­len möch­ten. „Hier geht es nicht dar­um, Lösun­gen zu fin­den“, erklärt Lott. „Es geht dar­um, gehört zu wer­den und gemein­sam einen Weg zu fin­den, mit dem Ver­lust zu leben.“

Die­ses Ange­bot wer­de dank­bar ange­nom­men, nicht nur von Ange­hö­ri­gen der beglei­te­ten Ster­ben­den, son­dern auch von Men­schen, die nach einem Ort der Ver­bun­den­heit suchen.

Neben der Beglei­tung hat die Hos­piz­grup­pe auch eine wich­ti­ge Bil­dungs­funk­ti­on. Mit Pro­jek­ten wie „Hos­piz macht Schu­le“ ver­sucht sie, das The­ma Ster­ben aus der gesell­schaft­li­chen Tabu­zo­ne zu holen. „Wir möch­ten, dass Men­schen das Ster­ben als Teil des Lebens begrei­fen – auch jun­ge Men­schen“, so Lott.

Gleich­zei­tig ist der Dienst auf Nach­wuchs ange­wie­sen. Die Gewin­nung neu­er Ehren­amt­li­cher gestal­tet sich zuneh­mend schwie­rig, obwohl die Nach­fra­ge nach Ster­be­be­glei­tung wächst. Im Jahr 2024 schloss der Hos­piz­dienst 30 Beglei­tun­gen ab – eine Zahl, die die Bedeu­tung sei­ner Arbeit unter­streicht.

Der Sozi­al­preis des Krei­ses ist mehr als eine Wür­di­gung; er ist ein Signal dafür, dass Ster­be­be­glei­tung kei­ne Rand­auf­ga­be, son­dern ein gesell­schaft­li­ches Anlie­gen ist.

Eine gesell­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung

Hei­di Lott sieht in der Aus­zeich­nung nicht nur Aner­ken­nung, son­dern auch Moti­va­ti­on: „Es zeigt uns, dass unse­re Arbeit gebraucht wird – und dass sie geschätzt wird.“

Gleich­zei­tig bleibt die Ver­net­zung essen­zi­ell. Die Zusam­men­ar­beit mit dem Pal­lia­tiv­team Nord­hes­sen und der Pal­lia­tiv­sta­ti­on in Wit­zen­hau­sen ermög­licht es der Hos­piz­grup­pe, umfas­sen­de Unter­stüt­zung zu bie­ten.

In einer Zeit, in der vie­les schnell­le­big und ober­fläch­lich erscheint, bie­tet die Hos­piz­grup­pe Wit­zen­hau­sen/­Neu-Eichen­berg einen Ort der Tie­fe und des Ver­wei­lens. Für die Beglei­ter ist ihre Arbeit oft her­aus­for­dernd, doch sie wis­sen um ihren Wert.

„Sie schen­ken ihre Zeit, ihr Herz“, sagt Hos­piz­mit­ar­bei­te­rin Hei­di Lott zum Abschluss. „Aber für die Men­schen, die wir beglei­ten, kann es alles sein.“
ELVAN POLAT

Quel­len­an­ga­be: Wit­zen­häu­ser All­ge­mei­ne vom 04.01.2025, Sei­te 3

Eine Arbeit die Herz und Hal­tung ver­langt: Hei­di Lott sieht ihre Auf­ga­be nicht nur in der Orga­ni­sa­ti­on, son­dern auch im behut­sa­men Beglei­ten von Ehren­amt­li­chen und Ange­hö­ri­gen. © Elvan Polat