Hospizgruppe begleitet mit Würde und Achtsamkeit.
Witzenhausen/Neu-Eichenberg – In einer Welt, die vom stetigen Wandel und rasender Geschwindigkeit geprägt ist, gibt es Orte, die der Vergänglichkeit mit Beharrlichkeit und Mitgefühl begegnen. Die Hospizgruppe Witzenhausen/Neu-Eichenberg ist ein solcher Ort – ein stilles Refugium, das seit 25 Jahren Sterbenden und ihren Angehörigen eine Hand reicht. Zeit, Würde und Menschlichkeit sind die Grundpfeiler dieser ehrenamtlichen Initiative, die jüngst mit dem Sozialpreis des Werra-Meißner-Kreises ausgezeichnet wurde.
Wir möchten, dass Menschen das Sterben als Teil des Lebens begreifen – auch junge Menschen. Heidi Lott
Seit seiner Gründung durch Marianne Magerkurth und Christine Kluge widmet sich der Dienst der Begleitung Schwerkranker und Sterbender sowie deren Angehörigen– sei es zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen.
Umgang mit der Endlichkeit
Dabei steht eines stets im Vordergrund: die Würde des Einzelnen. „Wir tun nichts, was der sterbende Mensch nicht möchte“, betont Heidi Lott, hauptamtliche Koordinatorin. Das Ziel ist nicht nur, den Sterbenden ein würdevolles Geleit zu bieten, sondern auch ihren Angehörigen beizustehen, sie aufzuklären und in ihrer Trauer zu begleiten.
Der Umgang mit dem Sterben habe sich im Lauf der Zeit stark gewandelt. Früher, als Großfamilien die Regel waren, war der Tod ein natürlicher Teil des Lebens. „Man lebte mit den Großeltern unter einem Dach und begleitete sie in ihren letzten Tagen – das gehörte selbstverständlich dazu“, beschreibt Lott. Kinder wuchsen mit dem Wissen um die Endlichkeit des Lebens auf, weil sie sie unmittelbar erlebten.
Heute jedoch ist der Tod in vielen Familien kein präsentes Thema mehr. „Es wird geschwiegen, verdrängt, tabuisiert“, sagt Lott. Die moderne Gesellschaft, geprägt von Mobilität und Kleinfamilienstrukturen, hat den Tod zunehmend ausgelagert – in Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Hospize. Dabei entstehen nicht selten Unsicherheiten und Ängste, die den Umgang mit der Endlichkeit erschweren.
Die stille Kunst der Begleitung
Mit 15 ehrenamtlichen Hospizbegleitern und einer hauptamtlichen Kraft ist der Dienst klein, doch seine Wirkung ist tiefgreifend. Die Ehrenamtlichen, sorgfältig ausgewählt und umfassend geschult, begegnen den Sterbenden mit Empathie, Achtsamkeit und Respekt. Ihre Aufgabe ist keine pflegerische, sondern eine psychosoziale: Sie hören zu, sind präsent und lindern Ängste.
„Es ist eine Kunst, einfach da zu sein“, beschreibt Lott die Arbeit. Sie erfordert nicht nur emotionales Feingefühl, sondern auch eine innere Haltung, die Akzeptanz und Wertfreiheit in den Vordergrund stellt. Dabei betont Lott die Zugänglichkeit der Hospizarbeit: „Laut § 39a des Sozialgesetzbuchs steht jedem Menschen ein ambulanter Hospizdienst zur Verfügung – unsere Arbeit soll keine Hürde sein, sondern eine Hilfe.“ Diese Klarstellung ist ihr wichtig, denn oft herrscht Unsicherheit darüber, wer die Begleitung in Anspruch nehmen kann.
Um den Umgang mit Trauer zu erleichtern, bietet die Hospizgruppe ein Trauercafé an. Jeden letzten Sonntag im Monat öffnet es seine Türen und bietet einen geschützten, vertrauten Raum für Menschen, die ihre Trauer teilen möchten. „Hier geht es nicht darum, Lösungen zu finden“, erklärt Lott. „Es geht darum, gehört zu werden und gemeinsam einen Weg zu finden, mit dem Verlust zu leben.“
Dieses Angebot werde dankbar angenommen, nicht nur von Angehörigen der begleiteten Sterbenden, sondern auch von Menschen, die nach einem Ort der Verbundenheit suchen.
Neben der Begleitung hat die Hospizgruppe auch eine wichtige Bildungsfunktion. Mit Projekten wie „Hospiz macht Schule“ versucht sie, das Thema Sterben aus der gesellschaftlichen Tabuzone zu holen. „Wir möchten, dass Menschen das Sterben als Teil des Lebens begreifen – auch junge Menschen“, so Lott.
Gleichzeitig ist der Dienst auf Nachwuchs angewiesen. Die Gewinnung neuer Ehrenamtlicher gestaltet sich zunehmend schwierig, obwohl die Nachfrage nach Sterbebegleitung wächst. Im Jahr 2024 schloss der Hospizdienst 30 Begleitungen ab – eine Zahl, die die Bedeutung seiner Arbeit unterstreicht.
Der Sozialpreis des Kreises ist mehr als eine Würdigung; er ist ein Signal dafür, dass Sterbebegleitung keine Randaufgabe, sondern ein gesellschaftliches Anliegen ist.
Eine gesellschaftliche Verantwortung
Heidi Lott sieht in der Auszeichnung nicht nur Anerkennung, sondern auch Motivation: „Es zeigt uns, dass unsere Arbeit gebraucht wird – und dass sie geschätzt wird.“
Gleichzeitig bleibt die Vernetzung essenziell. Die Zusammenarbeit mit dem Palliativteam Nordhessen und der Palliativstation in Witzenhausen ermöglicht es der Hospizgruppe, umfassende Unterstützung zu bieten.
In einer Zeit, in der vieles schnelllebig und oberflächlich erscheint, bietet die Hospizgruppe Witzenhausen/Neu-Eichenberg einen Ort der Tiefe und des Verweilens. Für die Begleiter ist ihre Arbeit oft herausfordernd, doch sie wissen um ihren Wert.
„Sie schenken ihre Zeit, ihr Herz“, sagt Hospizmitarbeiterin Heidi Lott zum Abschluss. „Aber für die Menschen, die wir begleiten, kann es alles sein.“
ELVAN POLAT
Quellenangabe: Witzenhäuser Allgemeine vom 04.01.2025, Seite 3

Eine Arbeit die Herz und Haltung verlangt: Heidi Lott sieht ihre Aufgabe nicht nur in der Organisation, sondern auch im behutsamen Begleiten von Ehrenamtlichen und Angehörigen. © Elvan Polat